Freimaurerei

Eine wahrhaft königliche Kunst

"Sie ist die Kunst ernster Selbsterkenntnis, strenger Selbsterziehung, harmonischer Lebensführung und die Kunst, "die eigene Seele wie die Menschheit zur Wohnstatt des Ewigen zu erbauen".
Freimaurer-Lexika

"Die Freimaurerei ist die Kunst, dass menschliche Leben harmonisch zu gestalten. die Kunst, sich selbst in das richtige Verhältnis zum Nebenmenschen zu setzen."
Formulierung der Großlogen von Bayreuth, Frankfurt und Hamburg aus dem Jahre 1900: Von der Unbesiegbarkeit der freimaurerischen Geisteshaltung

Auszug aus "Ernst und Falk - Gespräche für Freimaurer"
von Gotthold Ephraim Lessing (entstanden 1776 -1778)

FALK: ... Die Freimaurerei ist nichts Willkürliches, nichts Entbehrliches: sondern etwas Notwendiges, das in dem Wesen des Menschen und der bürgerlichen Gesellschaft gegründet ist. Folglich muß man auch durch eigenes Nachdenken ebensowohl darauf verfallen können, als man durch Anleitung darauf geführet wird.
ERNST: Die Freimaurerei wäre nichts Willkürliches? - Hat sie nicht Worte und Zeichen und Gebräuche, welche alle anders sein können und folglich willkürlich sind?
FALK: Das hat sie. Aber diese Worte und Zeichen und diese Gebräuche sind nicht die Freimaurerei.
ERNST: Die Freimaurerei wäre nichts Entbehrliches? - Wie machten es denn die Menschen, als die Freimaurerei noch nicht war?
FALK: Die Freimaurerei war immer.
ERNST: Nun, was ist sie denn, diese notwendige, diese unentbehrliche Freimaurerei?

Mit diesen Sätzen aus "Ernst und Falk - Gespräche für Freymäurer" führt uns Gotthold Ephraim Lessing mitten in unser Thema, denn die Antwort auf die letzte Frage könnte lauten "Eine wahrhaft königliche Kunst" (Fußnote (*)). Doch damit ergeben sich ebenso wie in dem zitierten Gespräch weitere Fragen und Antworten.

Wenden wir uns zuerst dem Wort "königlich" zu. Im Deutschen Rechtswörterbuch, Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache (Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften), finden wir folgende Erklärung: königlich; Wortklasse: Adjektiv; Erklärung: einem König zugeordnet. Im Bertelsmann Universallexikon wird erläutert: König, althochdeutsch kuning, von kunni, "Geschlecht", der Träger der höchsten monarchischen Würde nächst dem Kaiser, in manchen Völkerschaften auch der oberste Priester. Wie bei den altgriechischen Stadtstaaten und im römischen Staat der Frühzeit gab es auch bei den germanischen Völkern Könige. Sprachlich erklärend ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert, daß das Wort "König" im Begriff "Königsweg" beschreibend als "beste Möglichkeit", "bester Weg", Anwendung findet.

Vom König können wir überleiten zum Begriff Aristokratie, griechisch, "Bestenherrschaft", die herrschenden Stände einer Aristokratie (Staatsform), der Adel; im übertragenen Sinn: die Gebildeten. Hier bietet sich eine weitere Verknüpfung an: Angehörige einer Elite haben meist eine besondere Ausbildung und heben sich so in ihrer Leistungsfähigkeit und in ihrer Leistung vom Durchschnitt deutlich ab. In diesem Sinn ist Elite ein Synonym für "die Besten" (griechisch: aristoi) und bilden daher, wenn sie herrschen, eine Aristokratie im Wortsinn. Die Elitenbildung läßt sich wiederum als Suchprozess verstehen, bei dem besondere Begabungen "entdeckt" und dann zur Entfaltung gebracht werden, wozu auch die Selbstvervollkommnung zählt - freimaurerischer Terminus: "Arbeit am rauhen Stein".

Mit dem Zerfall der ständischen Gesellschaft entwickelt sich die "Intelligenz"-Elite zum eigentlichen kritischen Träger von Wissenschaft, Kunst, Technik, Wirtschaft und Politik. Diese Elite ist das dynamische Element der Gesellschaft, das die jeweils gegebenen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Formen der Gesellschaft immer wieder in Frage stellt, weil sie ihr lediglich als Stadien eines Entwicklungsprozesses erscheinen. Bei dieser Geisteshaltung wird es für nötig befunden, gegenüber elitären Ansprüchen stets eine (selbst-)kritische Distanz zu halten, da eine Elite in dem, was sie repräsentiert und bewirken will, einer erhöhten Notwendigkeit ihrer Rechtfertigung ausgesetzt ist.

Mit anderen Worten:
Der Weg zur Vollkommenheit ist das Ziel,wobei diese per Definition nie erreicht wird. Der hier beschriebene Denkansatz spiegelt auch die freimaurerische Geisteshaltung wider.

Der Begriff "Kunst" bezeichnet im weiteren Sinn die Anwendung angeborener oder erworbener Fähigkeiten in hochentwickelter, spezialisierter Form als "Können" oder Kunstfertigkeit und das Resultat dieser Betätigung als Kunstwerk, sofern es durchschnittliche Leistungen übersteigt, was uns wieder zu den Begriffen Elite und Selbstvervollkommnung führt.

Im Altertum ist der Begriff "Kunst" etwas anders eingegrenzt. Es werden sieben "Freie Künste", lat. Artes liberales, aufgezählt und oft durch eine siebensprossige Leiter symbolisiert. Sie umrissen in der Antike und im Mittelalter die Kenntnisse und Fertigkeiten, die zur Unterrichtung eines freien Mannes, der nicht auf materiellen Broterwerb angewiesen war, für nötig erachtet wurden. Die Beschäftigung der Sklaven nannte man im Gegensatz dazu Artes illiberalis ("unfreie Künste"). Die mit körperlicher Arbeit verbundenen mechanischen bzw. schmutzigen Künste (Artes mechanicae, lateinisch, "mechanische Künste", auch Artes sordidae, lateinisch, "schmutzige Künste", oder griechisch technai banausoi, "Handwerkskünste") durften auch Unfreie ausüben. Im Mittelalter zählten zu den Artes mechanicae auch die Bildende Kunst mit der Baukunst sowie die Angewandte Kunst.

Im Mittelalter wurden die Freien Künste in Klöstern gelehrt. Man unterschied das Grundstudium (Trivium) und das weiterführende Quadrivium.

Zum Trivium gehörten die sprachlichen Fächer:

  • Grammatik (mit Literatur),
  • Dialektik oder Logik,
  • Rhetorik (mit Recht und Ethik).
  • Zum Quadrivium gehörten die mathematischen Fächer:
  • Arithmetik,
  • Geometrie (mit Geographie und Naturgeschichte),
  • Astronomie (mit Astrologie),
  • Musik, insbesondere Kirchenmusik.

Nach Abschluss des Quadriviums erhielt der Schüler an den Universitäten des späteren Mittelalters den akademischen Grad eines Magisters der Künste.

Bei der Untersuchung des Begriffs "König" haben wir in unserer Betrachtung den Bereich der Bibel unberücksichtigt gelassen. Im Calwer Bibellexikon (sechste Auflage 1989, Spalte 748) finden wir folgende Zuordnung:

Die Vorstellung, daß Gott selbst König sei, scheint in Israel erst seit der Staatenbildung und dem Aufkommen des israelischen und judäischen Königstums betont worden zu sein 1. Samuel 12,12. In älterer Zeit hatte man genug andere Ehrennamen für Gott, als daß man diesen schillernden, kanaanäisch gefärbten und halbmythischen Begriff verwandte. Das älteste prophetische Zeugnis für die Anwendung des Königstitels auf Gott finden wir Jesaja 6,5. Die Bezeichnung häuft sich bei Jeremia 46,18; 48,15; 51,57 und in den Psalmen 5,3; 44,5; 84,4; 98,6; 145,1. Der Königstitel für Gott dürfte demnach besonders im Jerusalemer Tempelkult gebraucht worden sein. Von der Königsherrschaft Jahwes redet, wie erwähnt, erst die nachexilische Chronik 1. Chronik 17,14; 28,5. Das Bild vom sakralen König ist dann übertragen worden auf den kommenden König der Heilszeit Jeremia 30,9; Hesekiel 37,24; Sacharja 9,9. Wie im Alten Testament, so wird im Neuen Testament Gott und nun Jesus Christus selten als König bezeichnet 1. Timotheus 1, 17; Johannes 18,37. Dagegen wird häufig auch die neue Gemeinschaft, die durch Jesus entsteht, als Königsherrschaft Gottes bezeichnet.

Mit diesem Wissen könnten wir nun "königliche Kunst" in "göttliche Kunst" übersetzen, doch das wäre vermessen. Gott ist vollkommen, der Mensch ist es nicht und wird es nie werden. Kein Mensch kann daher göttliche Kunst ausüben. Auch bezieht sich die Freimaurerei nur auf das Menschsein und abstrahiert lediglich symbolisch mit der Transzendenz den religiösen Bereich. Wenn wir unsere bisherige Zuordnungen mit in das Kalkül einbeziehen, kommen wir aber zu einer einleuchtenden Übertragung: Es ist die Kunst des Strebens nach der Vollkommenheit.

Wie wir festgestellt haben, ist der Kern der freimaurerischen Geisteshaltung eine spezielle Denkstruktur, auf welche die Freimaurerei nicht unbedingt Alleinvertretungsanspruch hat. Dieser Kern ist lediglich in der Freimaurerei mit überlieferten Formen der symbolischen Wissensvermittlung umgeben. Es ist daher zulässig, wenn wir die Aussage, "Freimaurerei war immer", am tragenden Kern untersuchen. Was kann immer sein? Eigentlichen nur etwas, das in sich selbst existent ist. Was ist nun aber "in sich selbst existent"? Die Antwort lautet: Etwas, das jedes intelligente Wesen (auch wenn es im tiefen Weltall in anderer Lebensform ausgebildet ist) durch Überlegung herausfinden oder beschreiben kann.

Alle Regeln und Axiome der Mathematik bzw. Geometrie und Algebra sind z. B. in sich selbst existent. Beispielhaft angeführt seien hier die irrationalen Zahlen. Sie werden eingeteilt in algebraische und transzendente Zahlen. Eine algebraische Zahl ist jede Zahl, die sich als Lösung einer algebraischen Gleichung ergibt; das sind alle aus Wurzelausdrücken zusammensetzbaren Zahlen, z. B. √ (2) + √ (3). Alle nicht algebraischen Zahlen heißen transzendente Zahlen, z. B., "pi", "e", die Logarithmen, die meisten Werte der Winkelfunktionen. Die irrationalen Zahlen lassen sich durch unendliche nichtperiodische Dezimalzahlen beliebig genau angeben. Die Kreiszahl "pi" z. B. macht es möglich, Umfang und Fläche von Kreisen und Oberflächen und Volumen von Kugeln, Zylindern und Kegeln zu bestimmen. Die exakte Größe der Zahl "pi" kennen wir nicht. Wir können sie aber in der Darstellung beliebig genau annähern. Schon 2600 v.Chr. waren alle Hilfsmittel zur Berechnung der Kreiszahl vorhanden. Zwischen 1900 und 1600 v.Chr. rechnete man mit dem Näherungswert 3+1/8=3,125. Um 1650 v.Chr. verbesserte man diese Näherung und benutze die Formel: (16/9)²=3,1604, um das Volumen von zylindrischen Kornspeichern zu berechnen. Schon in der Bibel wird die Zahl "pi" als Annäherung an die Zahl 3 im Zusammenhang mit der Tempelausstattung indirekt erwähnt: "das Meer, gegossen, von einem Rand zum anderen zehn Ellen weit..., und eine Schnur von dreißig Ellen war das Maß ringsherum." Der Mathematiker Archimedes Sykarus (287 - 212 v.Chr.) fand schon eine bis zu zwei Nachkommastellen genaue Näherung: 31/7>pi>310/71. Im Mittelalter bestimmte François Viète durch die Zeichnung eines Vieleckes die Zahl "pi" auf neun Nachkommastellen. 1665 fand Newton noch weitere vier Stellen. Das Symbol für die Zahl "pi" taucht übrigens zum ersten mal 1647 auf.

Erde, Luft und Wasser sind voller Lebewesen, aber von den Menschen abgesehen verändern sich die Geschöpfe kaum oder doch nur in langen Zeiträumen. Farne wachsen und Fische schwimmen genauso, wie sie es taten, lange bevor es Menschen gegeben hat. Die betriebsamen Ameisen sind im Dienste der Selbsterhaltung und Fortpflanzung noch immer auf die gleiche Weise tätig wie zu der Zeit, als die Dinosaurier herrschten. Nur der Mensch hat im Verlauf seiner kurzen Geschichte sowohl die Welt wie sich selber verwandelt. Zielbewußte Umgestaltung durch Denken ist die nur ihm eigene Fähigkeit. Er ist der Homo sapiens, der Denkende.

Alle bedeutenden Kulturen sind Offenbarungen dessen, was der Menschengeist vermag. Beim Rückblick auf die Geschichte menschlicher Bildung ist es erhebend zu sehen, wie oft in entlegenen Ländern, bei rohen Völkern und in Zeiten der Unterdrückung und Gewalt große Geister erstanden sind. Wie wundervoll ist es z. B., inmitten einer blutigen, unter der Knechtung der Gedankenfreiheit stöhnenden Epoche einem ungetrübten, reinen, an Naturforschung und Dichtkunst hingegebenen Geist zu begegnen oder unter denkfaulen Kleinbürgern oder dumpf verdrossenen, erdgebundenen Bauern einen machtvollen Intellekt am Werke zu sehen, welcher der abstrakten Welt der Zahlen ihre Geheimnisse abringt, kühne Erfindungen macht oder den Bau des Universums zu deuten versucht.

Fußnote (*)
Lennhoff/Posner führen im Internationalen Freimaurerlexikon (Nachdruck Ausgabe 1932) in Spalte 890 aus:
Kunst, Königliche (engl. Royal Art, Frz. Art royal). Die Freimaurer nennen ihre Kunst die königliche. Anderson ist 1723 diese Wortverbindung bereits derart geläufig, daß er an mehreren Stellen seiner historischen Einleitung von der "Royal Art" spricht. Er sagt: "Am Tigris und Euphrat gab es so viel gelehrte Priester und Mathematiker, die unter dem Namen Cahldäer und Magier bekannt waren, welche die gute Wissenschaft (good science) Geometrie bewahrten, ebenso wie Könige und große Männer die Königliche Kunst (K. K.) aufmunterten." Weiter erzählt er, die K. K. sei durch Mizraim, den zweiten Sohn Hams, nach Ägypten gebracht worden. Später wird erwähnt, die Heiden hätten sich wohl alle Mühe gegeben, die K. K. zu pflegen, wären aber nicht weiter gekommen, bis Gott seinem auserwählten Volke den Auftrag gab, sein Haus zu bauen. Das Wort von der K. K. erscheint dann wieder in der Beschreibung der Fortpflanzung der Freimaurerei durch Könige, Potentaten und Prinzen, die sogar bis nach Indien die K. K. verpflanzten. Im Laufe des Textes kommt das Wort noch wiederholt vor, bis schließlich die Geschichte der Andersonschen Constitutions mit einem Hochgesange auf die K. K. schließt: "The Royal Art duly cultivated and the Cement of the Brotherhood preserv\'d, so that the whole Body resembles a well built Arch." Die Behauptung, die Bezeichnung sei erst zu Zeiten König Williams III. aufgekommen, der sich als Bauherr besondere Verdienste erwarb, ist somit hinfällig. Ebenso die Versuche, die Bezeichnung "königlich" mit angeblichen stuartistischen Bestrebungenn der alten englischen Freimaurerei in Zusammenhang zu bringen. Viel wahrscheinlicher ist es, daß die Bezeichnung anspielen will auf die Bausage des Königs Salomo, dessen Kunst betrieben wurde, als Hiram den Tempel errichtete. Eine andere Deutung, die zulässig ist, kann auf die zahlreichen Gnadenbeweise und Privilegien verweisen, die den Steinmetzen und Baukünstlern allezeit von Monarchen usw. gewährt wurden. Sie durften sich mit ihrer Kunst des besonderen königlichen Schutzes erfreuen. Im symbolischen Sinne bezeichnet sich die Freimaurerei sehr nachdrücklich ebenfalls als die K. K., als eine Kunst, die für die Loge, die Lehrstätte, darin besteht, ihre Jünger mit Hilfe der freimaurerischen Symbole zur Humanität zu erziehen, die für den einzelnen Freimaurer aber eine Lebenskunst ist, die Kunst ernster Selbsterkenntnis, strenger Selbsterziehung und harmonischer Lebensführung, die Kunst, die als ihr höchstes Gebot die Liebe nennt, die Kunst, "die eigene Seele, wie die Menschheit zur Wohnung des Ewigen zu erbauen".

Zusammenfassung:

Die freimaurerische Geisteshaltung ist eine der Vollkommenheit zustrebende progressiv rekursive Denkweise, die von stetiger Selbstkritik begleitet ist.
Wie der Geschichtsverlauf von den Ursprüngen unserer Kultur bis zum heutigen Tage zeigt, erzeugt die beschriebene Denkweise auf eine in sich natürliche Weise immer erneut geistige Eliten, welche die Entwicklung der Menschheit vorantreiben.
Da diese Denkweise in sich existent ist, kann kein Feuer, kein Schwert, kein Krieg und keine Naturkatastrophe sie ausrotten. Aus dieser Betrachtungsweise wird der Wahrheitsgehalt der Aussage, "die Freimaurerei war immer", sichtbar.
Eine solche Geisteshaltung wird auch in Zukunft unbesiegbar bleiben und ewig der Menschheit in ihrer Fortentwicklung dienen. Mit ihr im Verbund wird in freier Form auch die Freimaurerei immer bestehen.